WERBUNG| Serifen, Kugelenden und Schriftschnitte sind nur ein Bruchteil der Fachbegriffe, die im Gespräch mit dem Designer René Bieder für fragende Gesichter sorgten. Sicherlich taucht im Alltag hier und dort die Begrifflichkeit serif auf, vor allem, wenn stundenlang ausprobiert wird, welche Schriftart nun am Besten in die Präsentation, oder das Anschreiben passt. Dennoch bleibt das Feld der Typographie leider immer noch ziemlich unbekannt. Zu Unrecht, denn spätestens seit der Digitalisierung erfährt die Schriftgestaltung einen ungeahnten Strukturwandel. Es geht längst nicht nur um die reine Übernahme von Schriften, wie sie seit Jahrhunderten im Druckbereich verwendet werden. Screen- & Webfonts sind die Schlüsselelemente der virtuellen Welten.
RBNo1 war das Schriftdebüt von René, wenn es so etwas in der Typographie geben sollte und war gleichzeitig Startschuss für einen Weg in die Selbstständigkeit. Der 34-jährige Berliner ist gelernter Kommunikationsdesigner und begann nach der Ausbildung im Bereich Grafik für verschiedene Werbeagenturen zu arbeiten. Eine Welt geprägt von Präsentationen, Pitches, Corporate Designs und jeder Menge Zeitdruck. Als Art Director verantwortete er mehrere Teams und Projekte gleichzeitig - alles im Takt des Kunden. Ein Alltag oft ohne große, kreative Freiräume. „Mir fehlten Möglichkeiten auch einmal Ansätze losgelöst von starren Vorgaben betrachten zu können.“, so René über seine Agenturzeit. Es wurden mehr und mehr freie Projekte, die er mit Freunden nach Feierabend, oder am Wochenende umsetzte. Unter anderem entstand so die Agentur dojo, die mit unkonventionellen Ideen und Umsetzungen seit Jahren für Highlights in der Werbung sorgt. Allerdings zog es René weiter in die Typographie und die Welt des Corporate Designs. Als sich irgendwann für ein Projekt partout keine passende Schrift finden liess, entwickelte er mit Hilfe eines befreundeten Schriftgestalters erste Entwürfe. Daraus resultierte die RBNo1.
Es folgten relativ schnell die Überarbeitungen RBNo2.1 und RBNo3.1, die sehr gut angenommen wurden. Weitere Schriftfamilien folgten und irgendwann die Erkenntnis, dass die Typographie ein kreatives Zuhause sein könnte. „Mehr Design und weniger Werbung! “, dachte sich René und wagte 2013 den Schritt in die Selbstständigkeit als Schriftgestalter. In den vorangegangen fünf Jahren hatte er sich dafür das nötige Know-how nach Feierabend angeeignet. Ausschlaggebend war sicher auch, dass seine neueren Schriftentwürfe ebenfalls kommerziell Erfolg hatten. Mittlerweile hat er bereits neun Schriftfamilien entworfen, darunter die Milliard, die Sagona, oder auch die Rational TW. Je nach Umfang, das sind bei einer großen Schriftfamilie bis zu 850 Zeichen, dauert die Entwicklung meist bis zu sieben Monate. Kleinere Versionen nehmen bereits bis zu vier Monate in Anspruch. Eine Konstante gibt es allerdings immer. Angefangen wird mit dem kleinen n. Es besitzt viele Merkmale, die auch für andere Buchstaben wiederholt werden können. Aus dem kleinen n resultiert das kleine u, das kleine h usw. Ausnahmen bilden hier allerdings, dass a und e. Sie sind sehr wichtig für Harmonie und Charakter im Schriftentwurf. Es kann durchaus Wochen dauern bis der passende Schwung, der entsprechende Abstand, oder die verhältnismäßige Proportion gefunden ist.
Neue Entwürfe werden zunächst beiseite gelegt, um einen gewissen Abstand zu bekommen. So entstehen mehre Projekte parallel. „Es ist sehr wichtig mit einem frischen Blick die Entwürfe zu betrachten. Das Weglegen und spätere Wiederaufnehmen ist ein Restart, so kann ich besser Unterschiede wahrnehmen, einen Charakter ausmachen und im Laufe der Bearbeitung die Feinheiten im Vergleich genauer erkennen.“ erklärt René die Vorgehensweise bei seiner Schriftentwicklung. Auf die Frage ob seine Schriftfamilien eine gewisse Handschrift tragen, die ihn als Urheber erkennen lassen, lacht er. „Ich kann das so leider gar nicht beurteilen. Es gibt Kollegen, die den Charakter meiner Schriften als markant und mit einer Liebe zur Geometrie beschreiben. Allerdings halte ich das für relativ allgemein zutreffend. Ein charakteristisches Detail gibt es allerdings doch. Mir ist aufgefallen, dass ich zu einem breiteren o tendiere. Es gibt Schriften, da hätte ich durchaus eine andere Gestaltungsart für das o wählen können. Je länger ich aber vor allem an dem o sitze, wird es meist etwas breiter. Einfach, weil es mir dann besser gefällt.“
Natürlich werden die Entwürfe im Entwicklungsprozess auch regelmäßig getestet. Hilfreich sind dabei Wortschöpfungen, wie „Hamburgefontsiv“ oder Begriffe, wie „Randglovery“. Das geübte Auge erkennt sofort, welche Buchstaben aus der Harmonie fallen. Dann geht es wieder weiter mit der digitale Bearbeitung, die René hauptsächlich für seine Schriftentwicklung verwendet. Eher seltener beginnen mittlerweile die Entwürfe auf dem Papier, die er im Büro in seiner Berliner Wohnung erstellt. Die nötige kreative Abwechslung findet René in der Fotografie. Vor allem People-Aufnahmen und abstrakte Motive gehören zu seinen Schwerpunkten.
Seine bisherigen Arbeiten in der Typographie, im Design und in der Fotografie sind auf seiner Seite www.renebieder.com zu sehen.