Vor einigen Wochen hatte Jules das Vergnügen den prämierten Designer Mark Braun für das Möbelbrand HARTÔ in seinem Studio besuchen zu dürfen. Neben vielen weiteren Projekten hat der junge Designer nämlich kürzlich das Modulregal „Edgar“ für HARTÔ entworfen. Passend zur Studiotour führte Tanja Demmerath ein höchst spannendes Interview über den Werdegang des Designers und dessen Zusammenarbeit mit HARTÔ.
1. Ihre Großeltern waren Architekten, hat es Sie da nie gereizt ebenfalls Architekt zu werden?
Richtig, mein Großvater war Architekt und meine Großmutter Künstlerin – sie hatten ein sehr schönes Haus in Bayern und ein tolles Sommerhaus in Schweden, in denen sie viel Wert auf ihre Einrichtung gelegt und sich bewusst mit Designklassikern umgeben haben. Das hat mich natürlich sehr geprägt. Sie begleiten meine tägliche Arbeit übrigens immer noch, da meine Großmutter mir einige ihrer Werkzeuge sowie ihre geliebte Atelierleuchte vererbt hat. Mittlerweile beschäftige ich mich aber weniger mit der klassischen Architektur, sondern viel mehr mit der „Mikroarchitektur“. Ich finde dabei die kürzeren Zyklen viel spannender, da ich schneller ein Resultat in den Händen halten kann. Vor knapp 20 Jahren habe ich darum auch erst die Lehre zum Tischler und anschließend das Diplom in der Fachrichtung Keramik- und Glasdesign absolviert.
2. Verwenden Sie denn lieber Keramik, Glas oder Holz?
Mit Keramik bzw. Porzellan kann ich am besten umgehen, da ich mich hier intensiver mit dem Material befasst habe und alle Prozesse sehr gut kenne. Allerdings habe ich auch schon Glasflaschen entworfen, die in großer Stückzahl produziert wurden oder auch mundgeblasene Gläser für Manufakturen entwickelt – trotzdem bin ich bei Glas nicht so routiniert wie bei Keramik. Am meisten interessiert mich momentan aber das Thema Möbel. Hier kann ich einen für mich komplett neuen Markt entdecken und erobern. Ob Stühle, Tische oder eben das Regal „Edgar“ für HARTÔ – dies sind alles Produkte, für die ich immer mehr Herzblut entwickelt habe.
3. Direkt nach dem Studium ein eigenes Designstudio in Berlin zu gründen – dazu gehört Mut. War es für Sie schwierig in der Szene Fuß zu fassen und Aufträge zu bekommen?
Mein erster Auftrag war es zusammen mit einem Architekten den Empfangsbereich für ein cooles Start-up zu gestalten. Es war also eher eine Arbeit für mich in der Rolle des Tischlers, wobei ich natürlich auch kaufmännisch alles verantworten musste. Ich habe in der Anfangszeit generell viele eigene Produkte produzieren lassen und mich dann um den Vertrieb gekümmert. Um aber mehr auf Lizenzbasis arbeiten zu können, gründete ich im Jahr 2006 mein eigenes Designstudio in Berlin. Der erste richtige Designauftrag mit internationaler Resonanz kam dann 2008, als ich die Leuchte „Lingor“ für Authentics entworfen habe – dies war sozusagen mein Durchbruch als Autoren-Designer. Es hat aber noch einmal ungefähr fünf Jahre gedauert, bis meine Firma so wachsen konnte, dass ich Mitarbeiter eingestellt habe.
4. Die Uhr „Metro“, die Sie für Nomos Glashütte entworfen haben, wurde mit vielen renommierten Preisen wie dem German Design Award ausgezeichnet – beeinflussen solche Designpreise Ihre Arbeit?
Die Uhr „Metro“ für Nomos Glashütte war in Bezug auf unsere Öffentlichkeitswirkung vermutlich ein großer Schritt, denn mit der „Metro“ haben wir alle Designpreise erhalten, die man in der Branche gewinnen kann. Das war einfach nur wahnsinnig cool! Ich meine, nach mehr als 40 Produktentwürfen so einen Durchbruch zu schaffen – bei dem einfach alles passt – hat mich wirklich sehr gefreut. Die finanzielle Sicherheit, die der Verkauf der Uhr gebracht hat, war natürlich ebenfalls wichtig, aber die Designpreise haben uns erst so richtig motiviert. Sie waren Feedback und Anerkennung für unsere Arbeit. Es ist eben auch eine schwierige Branche, in der wir arbeiten. Viele Designer müssen bereits früh wieder aufhören und insofern ist es sehr wichtig durch möglichst vielfältige Projekte inspiriert und durch Preise belohnt zu werden. Die Erfolge müssen dann natürlich gefeiert werden und die Misserfolge analysiert man kurz und vergisst sie dann am besten ganz schnell.
5. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem jungen französischen Möbellabel HARTÔ?
Die Zusammenarbeit mit HARTÔ kam über meine Verbindung zu HARTÔ‘s Creative Director Mathieu Galard – wir haben uns auf der Maison & Objet in Paris kennengelernt. Mit ihm habe ich mich immer wieder über neue Themen, Trends und Inspirationen ausgetauscht. Auf einer Messe zeigte ich ihm dann mein „4+1 Regal“ und ein Jahr später stellte er mich HARTÔ vor – dann ging auf einmal alles ganz schnell. Man muss wirklich sagen, HARTÔ ist unglaublich dynamisch und handlungsfähig. Bei der Herstellung in Portugal stimmt dann noch die Qualität – die machen dort ihren Job wirklich gut. Die Zusammenarbeit mit Mathieu und dem gesamten HARTÔ Team funktioniert hervorragend, es ist geprägt von gegenseitigem Respekt und selbst kleinste Details werden immer mit uns Designern abgestimmt: Der Entwurf ist sozusagen das Herz des Produktes, dann geht es in die Produktion und dann braucht es vor allem einen guten Verleger – das ist bei HARTÔ einfach gegeben.
6. Als Tischler haben Sie ja einen ganz anderen Bezug zu Möbeln als manch anderer Designer – war es für Sie wichtig, dass HARTÔ die Produkte in einer Manufaktur herstellen lässt?
Dies war für mich natürlich sehr wichtig. Die Tischler in der portugiesischen Produktionsstätte von HARTÔ haben sehr eng mit mir zusammengearbeitet. Sie gaben wertvolle Hinweise für die Verbindungen zwischen den einzelnen Regalmodulen. Als Gestalter muss man dann aber in Bezug auf produktionstechnische Empfehlungen aus der Fertigung auch offen, sowie flexibel sein – sofern sie denn gut sind. Schließlich weiß ich als Tischler auch schon sehr gut, was möglich ist und was eben nicht. Da gibt es dann auch ab und zu längere Diskussionen, die ein optimales Ergebnis versprechen.
7. „Edgar“ ist stapelbar, lässt sich aber auch perfekt als breites Sideboard aufbauen, es ist ideal für jede Wand und jede Ecke – für wen haben Sie „Edgar“ entworfen?
Ursprünglich habe ich Edgar für einen erfolgreichen deutschen Möbelhersteller entworfen, dort sind die Kunden normal- bis gutverdienende Akademiker mit einer schönen Loft- oder Altbauwohnung. Bei „Edgar“ kann jeder selbst entscheiden, wie er sich präsentieren möchte. Es gibt ja auch Farbkombinationen, die sehr erwachsen sind. Vom erfolgreichen Start-up Gründer um die 20 bis zum etablierten Akademiker – für jeden ist „Edgar“ somit das ideale Produkt. Durch die Farbe ist es sehr
identitätsstiftend: Wie drücke ich mich aus, welche Module entsprechen meinem Charakter? Ich wollte zusätzlich aber auch eine praktische Organisationshilfe schaffen, in der Gegenstände durch die „+1 Fläche“ wie vor einer Art Bühnenbild hervorgehoben werden oder dahinter versteckt werden können. Die Fläche kann zudem als Buchstütze fungieren, indem Bücher daneben eingeordnet werden. Es ist aber natürlich auch einfach ein stylisches Lifestyleprodukt, das funktional als Raumtrenner eingesetzt werden kann.
8. Bei dieser Begeisterung für „Edgar“ – könnte es bald wieder zu einer Zusammenarbeit mit HARTÔ kommen?
HARTÔ und ich sind im Gespräch, es könnte also tatsächlich bald wieder eine Kooperation geben. Es gibt viele Ideen und wir treffen uns regelmäßig auf der Maison & Objet in Paris...
9. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des Wohnens aus? Gibt es Trends, die Sie in Ihrer Arbeit berücksichtigen?
In Zukunft wird es vermutlich weniger, aber bessere Produkte geben. Allein schon durch die Digitalisierung wird es weniger Produkte geben. Ich glaube, dass diese wenigen Produkte den Besitzern viel Halt geben werden und Charakter haben. Wenn ich umziehe und keine „austauschbaren“ Möbel mehr habe, sondern nur noch meinen Lieblingsstuhl und mein Lieblingsregal, nehme ich auch immer direkt ein Stück Identität mit in die neue Wohnung. Diesen Trend unterstütze ich natürlich, indem ich charmante Möbel entwerfe, die nicht einfach nur modisch und verwechselbar sind, sondern identitätsstiftend. Es wird trotzdem immer Möbel als eine Art Lebensabschnittsprodukt geben und wenn dieser Lebensabschnitt vorbei ist, werden auch die Möbel ausgemistet. Dies wird aber eben nicht mehr jedes Jahr passieren.