Liebe Indre, kannst du dich einmal kurz vorstellen, was machst du so den lieben langen Tag und was interessiert dich dazwischen?
“Je suis plusieurs./Ich bin viele.“ (Paul Valéry)
… unter anderem: Tochter aus einfachem Hause („Arbeiterkind“), Mutter von zwei Einzelkindern (25 und 9 Jahre), landliebende Wahlberlinerin, Radfahrerin mit einer Leidenschaft für nächtliches Autobahnfahren (gerne bei allzu lauter Musik), Ästhetin, Perfektionistin und Feuilletonleserin, Spätzünderin, Ex-Magersüchtige, Moderatorin, Kommunikationsberaterin und Chefin, Kulturwissenschaftlerin, Optimistin, Zweiflerin, Bloggerin, Freundin, Partnerin, „Öko“, Feministin u.v.m.
Was ich den lieben langen Tag mache? „Unter der Woche“ werbe ich für die (berufliche) Anerkennung von Fachkräften aus dem Ausland, entwickle neue Geschäftsfelder, vermittle das „Design Denken“ und andere praktische Hand- bzw. Denkwerke. All das macht mir sehr viel Freude, denn ich habe das große Glück, mit wundervollen, inspirierenden Menschen zusammenarbeiten zu können.
Daneben, davor und drumherum koche und kuschele ich, lese ich (oftmals vor), übe mich als gute Nachhilfelehrerin und Ratgeberin, suche Inspiration und versuche zu inspirieren, schreibe und laufe viel am Wasser, bin ich gerne zuhause und höre Deutschlandradio Kultur oder Musik, fahre ich gern Bahn, mag ich Strandspaziergänge, Bergwanderungen, die Malereien meiner Tochter, Querdenker*innen und „schräge Vögel“.
Neben deinem Job hast du auch deinen Blog MiMA. Was treibt dich an, womit befasst du dich?
Als ich M i MA (www.m-i-ma.de) im Jahr 2009 aus einer Laune heraus ins Leben rief, war es eine Art Notizbuch. Ich hielt darin Dinge fest, die ich mochte und machte (z.B. Nähen oder Ausflüge oder Einrichten). Dann änderte sich – schleichend und fast unbemerkt – meine Schreib- und Herangehensweise: Zwar drehte sich M i MA weiterhin um sogenannte Lifestyle-Themen wie D.I.Y., Wohnen, Reisen, Kochen, aber es rückten andere Perspektiven, Erfahrungen und Fragen in den Vordergrund. Statt persönlichen Notizen begann ich Interviews zu führen, Kurzreportagen, Portraits und kleine Berichte zu schreiben. So wurde aus M i MA der „Lifestyle-Blog mit Tiefgang“.
Im Herbst 2015 kam es zu einer neuerlichen Wende. Auslöser war die „Flüchtlingskrise in Europa“. Der damit einhergehenden Welle des Hasses und der Fremdenfeindlichkeit konnte ich nicht wort- und tatenlos zusehen. Also machte ich sie zum Thema. Im Sommer 2016 folgte der Brexit und im November eine US-Wahl, die mir bis heute in den Knochen sitzt. Alles, was mir lieb und teuer ist, steht heute – so mein Eindruck – zur Disposition: Menschlichkeit, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit, Wissenschaftlichkeit, Nachhaltigkeit etc. Ich kann diese Entwicklungen nicht ausblenden, sie beschäftigen mich und so finden sie eben auch auf meinem Blog ihren Niederschlag in der Wahl der Themen, Fragen und Interviewpartner*innen. Seit Anfang 2017 ist M i MA darum offiziell „(m)eine Art Gesellschaftsmagazin“.
Eure Wohnung ist der Hammer, wie lange wohnt ihr hier und mit wem. Hast du schon immer so modern gewohnt oder musstest du dich umstellen?
Wir sind im April 2015 in die Wohnung eingezogen – wir, das sind mein Mann, unsere Tochter und ich. Zuvor haben wir fast ein Jahrzehnt in einer Altbauwohnung in Schöneberg gewohnt. Mit ziemlich genau denselben Möbeln. Aber es macht doch einen Unterschied, in welchen Raum ein Möbel steht. In einem Altbau wirken sie anders als in einem Neubau.
Für mich war sie Umstellung von Alt- auf Neubau überraschend leicht. Als eine Freundin uns erstmals dort besuchte, lautete ihr erster Satz: „Die Wohnung passt total zu dir.“ Und damit hatte sie recht. Dabei wollte ich eigentlich nie in einem Neubau wohnen.
Was magst du besonders an eurer Wohnung?
Den weiten Blick.
Wie würdest du deinen Einrichtungsstil beschreiben und wie sehr hat er sich verändert in den letzten Jahren und wodurch?
Man kombiniere ein funktionales Stahlrohr- mit einem schlichten Birkenholzmöbel, füge einen Strauß Anemonen, eine afrikanische Papierdose und ein quietsch-gelbes Kissen hinzu. Dann kommt man meinem Einrichtungsstil recht nahe. Ich mag die kühle Klarheit des funktionalen und die freundliche Schlichtheit des skandinavischen Designs, garniert mit einer Prise Gemütlichkeit und einem Schuss Ironie. Aufgewachsen bin ich zwischen Antiquitäten, Ikea-Möbeln, Töpferwaren, Grünpflanzen und Setzkästen, was meinen Einrichtungsstil noch als junge Erwachsene prägte. Kernelemente meiner Jugendzimmer und ersten eigenen Wohnungen waren: Holz- und Rattanstühle, ein alter kleiner Küchentisch (den habe ich bis heute), Grünpflanzen, indische Decken und Kissen auf einer Matratze am Boden, offene Holzbücherregale, Plattenspieler und eine ziemlich große Plattensammlung. Auf meinem zweiten Bildungsweg begegnete ich dann 23jährig dem Bauhaus – und verfiel ihm sofort. Die kühn-klare offene Formensprache war eine Erleuchtung für mich und ich verbannte ad hoc alles Verspielt-Verschnörkelte aus meinem Umfeld. Ganz so radikal bin ich heute nicht mehr. Man findet in unserer Wohnung schon den ein oder anderen Schnörkel – aber man muss schon ein wenig danach suchen.
Was sind deine absoluten Lieblingsmöbel in der Wohnung? Bei euch gibt es ja so einige Klassiker zu finden.
Meine liebsten Möbel sind die Liege von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand – unser Hochzeitsgeschenk – und der kleine Holzstuhl. Mein großer Sohn hat ihn zu seinem zweiten Geburtstag bekommen hat. Ich glaube, er ist aus den 1920ern. Mein Vater hat ihn ziemlich heruntergekommen irgendwo gefunden und für seinen Enkel aufgemöbelt. Das ist 23 Jahre her; seitdem ist er da – und nicht mehr wegzudenken.
Und was steht auf deiner Wunschliste ganz oben? Wer ist dein Lieblings-Designer?
Ganz oben auf meiner bzw. unserer stand ein runder Esstisch – stand, denn diesen Wunsch haben wir uns kürzlich erfüllt. Nun sind wir sozusagen wunschlos glücklich.
Meine Lieblingsdesigner*innen? Hui, das kann ich gar nicht so klar sagen. Es gab und gibt so viele großartige Designer*innen. Ich nenne einfach mal ein paar, die mir spontan einfallen:
• Alvar Aalto hat für mich die schönsten Häuser und Möbel in Finnland entworfen.
• Max Bills Arbeiten finde ich ebenso spannend wie ihre Gestaltungskonzepte.
• Die Arbeiten von Charles and Ray Eames rauben mir fast den Atem – egal ob Möbel oder Häuser.
• Eileen Gray finde eine so faszinierende wie herausragende Bauhaus-Designerin,
• Charlotte Perriands Einrichtungen und Möbel üben eine magische Anziehung auf mich aus.
• Alma Siedhoff-Buscher hat wunderschöne Spielmittel und Kinderzimmermöbel entworfen.
Und mal in die Gegenwart geblickt:
• Die Arbeiten von Vera Aldejohann finde ich sehr spannend.
• Beim Anblick der Räume, Möbel und Dinge von Studio Oink kann mir schon mal schwindelig werden, so schön finde ich sie.
• Die Möbel der Berliner Design-Studios bartmann berlin und NUTSANDWOODS haben meines Erachtens Klassikpotenzial.
Was oder wer inspiriert dich?
Mich inspirieren Menschen, die die Dinge von vielen Blickwinkeln aus betrachten – unvoreingenommen, genau, mutig und immer wieder neu und anders und quer. Wie zum Beispiel die Publizistin und Philosophin Carolin Emcke, der Maler Otto Niemeyer-Holstein, die Schriftstellerin und Malerin Franziska zu Reventlow, meine Freundin Hazel Rosenstrauch, oder der Ethnograph und Autor Hubert Fichte, um nur ein paar Namen zu nennen.
Welches Buch sollte man unbedingt gelesen haben?
„This is Water“ / „Das hier ist Wasser“ von David Foster Wallace. Es hilft, die Dinge von vielen Blickwinkeln aus betrachten – unvoreingenommen, genau, mutig und immer wieder neu und anders und quer.
Wie hört sich der Soundtrack zu deiner Wohnung an?
Je nach Stimmung höre ich zuhause vor allem Jazz oder Avantgarde bzw. Minimal Music (beim Laufen dagegen am liebsten Indie).
Du wohnst im Friedrichshain, welchen Laden sollte man unbedingt in deiner Hood kennen und besuchen?
• Wohnen: StilRaumBerlin
• Kochen: FrischeParadies
• Café & Working: KleinMein
• Süßes: Naschhaus
• Espresso: La Peppina
• Wein: Wein-Salon
• Kinderkleider: SNUGATA
• Papier: Bokx-Kreativ