„In dieser Stadt kenn' ich mich aus, in dieser Stadt war ich mal zuhaus; wie sieht die Stadt wohl heute aus? In dieser Stadt war ich mal zuhaus.“, sang Hildegard Knef 1965 über Ihre Heimat Berlin. Ein Jahr später landete sie auf dem Flughafen Tempelhof, wo die versammelte Presseschar sie erwartet, um alles über ihren späteren Auftritt in Westberlins Philharmonie in Erfahrung zu bringen. Besonders imposant im Biopic mit Heike Makatsch verfilmt. Heute ist der ehemalige Zentralflughafen stillgelegt und das Rollfeld für die Berliner freigegeben. Eine neue Oase mitten in Berlin. Immer, wenn mich mein Weg in die Nähe Tempelhofs führt, muss ich dennoch oft daran denken, wie es wohl damals war. Was würde wohl Hilde sagen? „Dufte!“, davon bin ich überzeugt, wenn sie ganz in der Nähe, in der Leinestraße, die Wohnung von Silke Voigtländer betreten hätte. Eine Interior-Perle mitten in den verzweigten Altbauten Neuköllns. Als Teil des Schillerkiezes gibt es hier prächtige Fassaden, breite Mittelpromenaden und Kopfsteinpflaster wohin man schaut. Teilweise großzügig saniert und dem Vorwurf der Gentrfizierung unterworfen, liegt die Wohnung von Silke aber etwas unscheinbar in einem der letzten Mietshäuser mit Patina.
Silke Voigtländer ist das voi der Designmarke wit&voi. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Julia White hat sie 2015 den Schritt gewagt Beratungen im Interior-Bereich anzubieten. Anspruchsvolle und vor allem bezahlbare Einrichtungsideen von der Planung bis zur Umsetzung und Betreuung sind der Schwerpunkt von wit&voi. „Unser Stil ist geprägt von einem ästhetischen Gespür für Formen und Farben in einem harmonischen Zusammenspiel mit einer abwechslungsreichen, individuellen Mixtur für Stile unterschiedlicher Designperioden.“, so die studierte Produktdesignerin pointiert auf die Frage nach dem typischen wit&voi-Charakter. Etwas, was mir sofort im Gespräch mit Silke und Julia auffällt, ein beruhigende und beispielhafte Einigkeit. Tatsächlich spiegelt sich das nicht nur in den Interiorvorstellungen wieder, beide - ohne sich abgesprochen zu haben - trugen zu unserem Treffen eine dunkelgrüne Seidenbluse und schlichten Statement-Schmuck. Schwestern im Geiste!
Es ist kurz vor elf am Mittag und Silke öffnet mit einem herzlichen Lächeln die Tür zu ihrer Zwei-Zimmer-Altbauwohnung. Ein langer, schlichter Flur und klassische Dielen sind quasi der Eye-Opener, bevor es in die Küche geht. Der erste Raum der Wohnung setzt gleich Maßstäbe. Tiefdunkel lackierter Boden, schwarzfurnierte MDF-Arbeitsplatten und Arrangements aus Blumen, Obst und Gemüse, die jeden Stillleben-Maler glücklich machen würden. In dem Fall hat es Silke tatsächlich geschafft ihren Bruder, der wirklich Maler ist, davon zu überzeugen doch endlich auch einmal Blumen zu zeichnen. Blühender Mohn und Weintrauben scheinen die perfekte Kombination. Die Wände sind bewusst „offen“ gehalten und mit einem Finish bearbeitet, das diesen sanft-matten Seidenschimmer erzeugt. Auch Julia, ihre Geschäftspartnerin, ist immer noch sichtlich angetan von der Gestaltung: „Darum geht es eben bei unserer Arbeit, mit vorhandenen Gegebenheiten zu arbeiten, sie zu integrieren und in ein stimmiges Konzept einzuarbeiten.“
Weiter geht es in das Wohnzimmer: ein wahrgewordener Salontraum. Erster Blickfang ist eine feingemusterte Tapete aus den 70er Jahren, davor das rosafarbene Samtsofa mit passendem Ottomanen. Spätestens hier hätte Hilde direkt aus der PanAm kommend, die Beine hochgelegt! Vernarrt in das Sofa frage ich nach dem Label … Der Preis: ein Vermögen? Silke lacht und erklärt: „Das ist unser Ansatz, anspruchsvoll aber bezahlbar. In diesem Fall habe ich dieses feine Schmuckstück bei Bolia entdeckt. Es muss die Qualität und der Stil stimmen, dann finden auch Produkte von Ikea und Ebay eine Berücksichtigung in unsere Konzepte. So auch die vier Bauernstühle, die ich online ergattert habe.“ Der taubenblaue, alte Ofen fügt sich ohne Widerspruch in die Raumgestaltung ein. Der genaue Beobachter, oder der erfahrene Berlinkenner sieht: Kohleheizung gibt hier die Wärme an. Bei all’ den ganzen Projekten kann Silke sich aber permanentes Schleppen nicht erlauben, da drängt die Zeit und eine Elektroheizung auf Rollen ist da die nahende Rettung. Ist mir erst auf den zweiten Blick aufgefallen, da die Heizung geschickt positioniert wurde. Perfekt inszeniert sind auch die großformatigen Bilder einer guten Freundin von ihr. „In der Größe aufgezogen hat sie ihre Werke vorher auch noch nie gesehen und war völlig begeistert von der Wirkung. Ihre Bildern bereichern den Raum ohne ihn zu beherrschen.“ so Silke über die Fotografien von Neda Rajabi, die mittlerweile auch in Berlin ihr Studio hat.
Unter einem Kristalllüster einschlafen steht tatsächlich noch auf meiner Liste. Silke kann das regelmäßig. Ihre Schlafzimmergestaltung folgt dem länglichen Zimmer und die große Deckenlampe setzt einen schönen Akzent in der schlichten Anordnung. „Der Schreibtisch im Schlafzimmer ist tatsächlich noch ein Dorn in meinem Auge. Normalerweise kombiniere ich ungern Arbeitsplatz und Schlafzimmer in einem Raum. Doch manchmal muss man halt aus gegebenen Platzgründen Kompromisse machen.“ lacht Silke, während sie schnell ablenkend auf den langen, hölzernen Kerzenhalter verweist. Den hat Ihr eine Freundin aus Bali mitgebracht und ist mittlerweile eines der Key-Pieces in ihrer Gestaltung geworden. Unser kleiner Rundgang führt uns wieder zurück in den Flur und ich bin immer noch sehr geflashed. Dabei war das erst die erste Station, schliesslich will auch die Wohnung von Julia entdeckt werden, die schon bereits darauf hinwies, dass es bei ihr wohl noch einmal anders gestaltet sei.
Gestärkt mit einer Pho Bo im From Hanoi with Love, einem der Lieblingsläden der Beiden, geht es quer durch die Stadt in den Prenzlauer Berg in die Dachgeschosswohnung von Julia White. Hoch über dem Mauerpark wartet dort die Fortsetzung von „ZU BESUCH BEI: wit&voi / ZWEITER TEIL“, der am Wochenende online geht. Stay tuned!