Es nieselt und wir machen uns auf den Weg in die Wohnung von Julia White. Sie steht für das wit der Designmarke wit&voi aus Berlin. Wir steigen im U-Bahnhof Leinestraße in die U8 in Richtung Wittenau. Ausgestiegen wird Voltastraße. Unterwegs passieren wir die Station Moritzplatz. Dort haben Julia und Silke ihr Büro. „Wir sitzen in einem recht unscheinbaren 70er-Jahre Gebäude gegenüber vom sehr bekannten Aufbau Haus. Das Büro ist momentan noch sehr puristisch eingerichtet, da die Einrichtungsprojekte in erster Linie uns zu den Kunden nach Hause führen.“ so Julia auf meine Frage nach ihrem Office. Quasi mitten auf halber Strecke liegen die Büroräume für beide Interior-Expertinnen. Zuvor hieß das Zauberwort „Home-Office“, mal bei der einen und mal bei der anderen. Im Laufe der Zeit wurden die Anfragen immer zahlreicher, so dass sie den Schritt in ein eigenes Büro wagten. In ganz Deutschland arbeiten sie mittlerweile mit zahlreichen Spezialisten und Designern zusammen. „Ein Hausbesuch ist unablässig, nur so können wir uns ein detailliertes Bild verschaffen“, erklärt Silke die Vorgehensweise in ihrer Interiorberatung. „Wenn das vielleicht mal nicht geht, greifen wir auch durchaus auf Skype zurück.“ ergänzt Julia. Die U-Bahnstrecke in den Osten der Stadt zieht sich. Wir sind Höhe Alexanderplatz und mir fällt da natürlich wieder ein schönes Zitat ein: „C'est royale, c'est manifique. Osten, Westen werden hell, Ja die grosse Stadt is schnell! Send me a postcard if you please C'est royale, c'est manifique Berlin!! Berlin!!“, sang Nina Hagen über die geteilte Hauptstadt. Endlich: Voltastraße ausgestiegen, durch den Gleimtunnel, 100+3 Stufen das Hinterhaus empor und los geht’s!
Postkartenpanorama par excellence bietet die Wohnung von Julia. Sie lebt mit ihrem Mann Elliot hoch über den Dächern nördlich des Mauerparks. Und in der Tat könnte der Stil zwischen Silke und Julia nicht unterschiedlicher sein. Vom Flur aus erstreckt sich ein großzügiger Wohn- und Küchenbereich. Alles ist sehr hell und großzügig platziert. Vor allem die zahlreichen Oberlichter tragen dazu bei. Und wieder ein traumhaft schöner Blumenstrauss mit großen Mohnblüten. Beide waren - wieder einmal nicht vorher abgesprochen - bei ihrem Blumenhändler des Vertrauens: Blumen Dilek in der Oranienstraße. Bevor Julia mit ihrem Mann nach Berlin kam, lebte sie acht Jahre in New York. Dort arbeitete sie für verschiedene Architektur- und Interiorbüros. „Es war für mich sehr beeindruckend riesige Penthouses und komplette Etagen einzurichten. Da waren Budgets im Spiel mit denen könnte man ganze Häuser bauen.“ In Potsdam studierte sie Architektur und so fiel die Wahl nach Berlin zurückzukehren doch relativ leicht. Unerwartet schwierig war der Einstieg in hiesige Projekte. Vor allem antiquierte Vorstellungen in der Arbeitsverteilung liessen sie doch zunächst sehr irritieren. „Bauleiter, die nicht nur in ihren Arbeitsprozessen festgefahren sindá la „so habe ich das doch immer gemacht“, bis hin zu Umgangsweisen gegenüber Frauen diese in eine Sekretärinnen-Ecke zu schieben, waren sehr enttäuschend.“ so Julia über die anfänglichen Schwierigkeiten und Unterschiede.
Die ursprünglich türkisfarbene Küche wurde mit weißen Folien versehen, um mehr Ruhe in die offene Gestaltung zu legen. Die gemusterte Arbeitsplatte - typisch 90er Jahre - entfaltet so eine ganz andere Optik. Passend eben dazu das rosa-blaufarbene Bild und die leuchtendgrüne Plexiglasscheibe im Regal. Memphis reloaded. Viele Objekte wurden von Julias Mann gefertigt, der ebenfalls Architekt ist. Zu seinen Werken gehören die hölzernen Sitzbänke und eines der Highlights der Wohnung, der Canopy Table neben dem Sofa. Mit Unterbrechung arbeitete er drei Jahre an diesem Unikat. Holz, Kunstharz und modulare Elemente verleihen diesem Tisch eine außergewöhnliche Optik, die übrigens Baumkronen nachempfunden ist, wenn man unter ihnen steht. Ess- und Wohnbereich gehen fließend in dem großen Raum ineinander über und behalten dennoch jeweils einen individuellen Charakter. Verschiedene Teppiche verleihen mehr Behaglichkeit. Dafür muss auch nicht tief ins Portemonnaie gegriffen werden. Julia hat ihre Auswahl zum Beispiel bei connox gefunden. Sie achtet besonders auf viele kleine Details. Ob dekorative Muscheln vom Flohmarkt, verschieden große Nähscheren, oder kleine Accessoires - die noch so kleinsten Dinge bekommen einen wirkungsvollen Platz zugeteilt. Das Gespür für Feinheiten ist dann eben gefragt. Der passionierte Interiorfan erkennt dann gleich Klassiker, wie den Spiegel „Schneider“ vom Label Objekte unserer Tage , den Julia aus ihrem Lieblingsinteriorstore of/berlin hat. Bevor wir weiter auf Entdeckungstour gehen, fällt mein Blick auf einen Metallrohrstuhl in mintgrüner Lackierung und mit dunkelblauem Polsterbezug. Den hat Julia in letzter Sekunde vor der Schrottpresse gerettet. „Damals war ich Praktikantin in einem Architekturbüro und morgens auf dem Weg zur Arbeit, als ich an einer Baustelle vorbeiging. Schon von weitem sah ich, wie die Arbeiter einen Stuhl nach dem anderen aus dem Gebäude trugen und in den Schrottcontainer warfen. Bei näherem Hinsehen verliebte ich mich sofort in den Stuhl und fragte, ob ich den wohl haben könnte. Wenig später fand ich mich im Container, den Stuhl herauszerrend, wieder. Seit dem begleitet er mich überall hin.“
Beim Betreten des Schlafzimmers macht mich der Ausblick aus den bodenlangen Terrassenfenstern völlig sprachlos. Die Max-Schmeling-Halle und das Jahn-Stadion zur Linken, den Fernsehturm in der Ferne geradeaus und der großzügige Mauerpark zur Rechten. Ein phänomenaler Ausblick und dazu auch noch Südseite. Pflanzen und Blumen fühlen sich hier pudelwohl. Bestes Beispiel ist dafür die besonders schöne Geigenfeige. Wie es sich für ein Schlafzimmer gehört, strahlt die Gestaltung sehr viel Ruhe aus. Eine schöne Oase zum Entspannen. Auch hier zeigt sich wieder der besondere Mix in der Auswahl. Schlichte Glühbirnen gehangen, werden zu imposanten Nachtlichtern neben dem Bett. Der alte Reisekoffer und die grüne Glasvase sind die Blickfänger im Raum. Neben ausgewählten Hochzeitsbildern, verzichtet Julia bewusst auf weitere Wandgestaltung. Einzig ihre Ketten hat sie kunstvoll an der Wand drapiert, so dass jedes Wallhanging vor Neid erblassen würde.
Ich geniesse noch einmal einen letzten Blick über den Mauerpark, bevor ich mich von Silke & Julia verabschiede. Während ich wieder die 100 Treppenstufen nach unten gehe, kreisen all’ die ganzen Eindrücke des Tages in meinem Kopf. Großartige Wohnungen von zwei noch großartigeren Frauen. Mehr davon!
Übrigens, wer sich für die Arbeit von Silke & Julia interessiert, erhält auf deren Instagram-Kanal viele Insights aus dem Interior-Alltag der Beiden. … und wer Support beim Einrichten benötigt, erreicht Silke und Julia unter wit&voi.