Sofia – die skurrile Perle
Bulgarien – mitten im Herzen des Balkans, in Europa und doch irgendwie tabula rasa-Land für mich. Mit Bulgarien verbinde ich als Reiseland nur Schilderungen von Abifahrten ans Schwarze Meer, aber eigentlich kenne ich keinen der da war.
Die Idee gen Südosteuropa zu reisen entstand aus einer Bierlaune im Sommer. Ungarn, Moldawien, Bulgarien? Warum nicht? Endlich was Neues, vielleicht ein bisschen mehr unter dem Motto trash the flash ohne totale Durch-Gentrifizierung und lauter geleckten Fassaden. Das Ziel stand ziemlich schnell fest: Sofia! Generation Easyjet dies das. Für nicht einmal 50 EUR haben wir Hin- und Rückflug ab Berlin gebucht und sind unwahrscheinlich motiviert um 06:10 Uhr gestartet (#megapainintheassniewieder).
Es gibt offenbar keinen Oldschool-Reiseführer in Buchform über Sofia, sodass wir auf die gute Recherche im Netz, TripAdvisor und Spotted by Locals zurückgriffen und ganz nebenbei mit offenen Augen durch die Stadt wandelten. Trotz aller Vorwarnungen und Gerüchte wurden wir weder im Taxi abgezogen, noch überfallen. Die Taxipreise sind so günstig, dass wir selbst überlegt haben mit einem Taxi ins umliegende Vitoscha-Gebirge uns kutschieren zu lassen. Ein Glück kam unserem großkotzigem Ausflugsplan Schneesturm und Kälte in die Quere. Generell hatten wir eigentlich leider kaum Kontakt zu Bulgaren vor Ort. Irgendwie schien Sofia auch ein bissen menschenleer.
Nichtsdestotrotz haben wir in unserem Kurztrip von Donnerstag bis Sonntagmorgen am letzten Oktoberwochenende nicht nur die ersten Schneeflocken abbekommen, sondern einige netten Lokale und tolle Orte entdecken können, welche natürlich nicht unerwähnt bleiben sollen. An erster Stelle sei gesagt: Cappuccino schmeckt fantastisch in Sofia, selbst an diesem Restrelikt von Flughafen blitzte der Espressovollautomat. Übernachten geht dank airbnb auch einfach, schön und sehr günstig. Zu dritt kostete uns ein gemütliches Stadtappartement nur 35 EUR pro Nacht für uns alle zusammen!
Places to be & to see:
1. Unter dem Trash-Aspekt und in der Sammlung kurioser Orte, sollte man das Militärmuseum mit Panzer- und Raketenschaupark mitten in einer Wohnsiedlung sich doch ansehen. Absolut skurril!
2. Bei schönem Wetter sollte ein Ausflug ins Gebirge unbedingt drin sein, bitte berichtet mir dann samt Fotobuch wie es war.
3. Die vielen orthodoxen Kathedralen, diese pompösen Schönheiten im Kerzenschein sind jede für sich einen Ausflug wert. Besonders schön ist die Alexander Nevski Kathedrale. Der Flohmarkt in der Nähe ist allerdings nicht der Rede wert, bzw. nur ein Eldorado für Nazischweine (ihr könnt euch also vorstellen, was es dort zu kaufen gibt).
4. Wenn die Ära des Trödel neu eingeläutet werden soll, dann führt kein Weg hier vorbei: Am außergewöhnlichsten ist die Kirche St. Paraskeva in der Rakovski Straße 58. Hier schlummert im Keller die sagenhafteste Trödel-Antiquitäten-Sammlung, die ich je gesehen habe. In den Kirchenkatakomben stapeln sich feinste Schätze der letzten Jahrhunderte in Massen bis an die Decke, kleine Trampelpfade ermöglichen einen Ausblick in die einzelnen Räume. Man kann alles kaufen dort, jedoch muss man die Wunschobjekte erst einmal aus diesen Bergen befreien. Sagenhaft!
5. Sofias und Bulgariens Geschichte ist geprägt durch verschiedene Kulturen (lernt man auch viel darüber, wenn man Punkt 1 ausführlich studiert). Neben den orthodoxen Kirchen wird das Stadtbild Sofias durch eine schöne Moschee sowie Synagoge geprägt. Auch ein Sowjetdenkmal fehlt nicht in der Stadt. Die U-Bahn gehört zu einen der modernsten weltweit und ist im Kontrast zu den verfallenen Altbauhäusern fast wie ein Mahnmal an die Zukunft.
6. Schon zuvor lasen wir in Blogs Sofia sei was für „foodies“, ich sage, wir wurden fast nicht enttäuscht, was die Erwartungen angingen. Als Berliner sind wir mit guten Preisen und vor allem besten Leckereien bereits verwöhnt. In Sofia fehlte es uns keiner Dekadenz, denn wir speisten wie die letzten Bonzen. Und weil wir das wussten, gaben wir auch weit mehr als 10 Prozent Trinkgeld (zu eurer Beruhigung).
Das Haus deiner Schlemmerträume liegt in der Tsar Ivan Shishman 12! Im Erdgeschoss befindet sich die „One More Bar“, der Titel strotzt vor Bescheidenheit. Die Drinks sind der Hammer, das Publikum auch. Von Expads über die Schönen und Reichen Sofias tummeln sich hier alle, die gesehen werden wollen. Oh ja! Die Bar selbst lässt sich ebenfalls sehen, einfach stilecht! Direkt eine Etage über der Bar befindet sich das Restaurant Lavanda. Hier diniert man wie in Charlottenburger Salons, feinste Weine und beste Speisen sind garantiert.
Raketa! Ich glaube unser Kellner war ein bisschen verliebt in mich, er überstürzte sich förmlich mit Freundlichkeit und seiner Aufmerksamkeit mir gegenüber. In der Qnko Sakuzov 17 findet sich dieses tolle Lokal, welches sehr gut besucht war. Das Interior ist modern, dennoch nostalgisch, neben alten TV-Geräten und Radios findet man überall etwas zu entdecken. Das Essen war äußerst schmackhaft und der hauseigene Rakia (der Name täuscht, es ist leckischmecki Wodka) heizt gut ein! Toller Laden, haben sogar einen Raketa-Anstecker bekommen <3
In der Angel Kanchev gibt es einige nette Cafés, Bars und Restaurants zu entdecken. Gemütlich und einladend!
Das letzte Wort: Der Kurztrip nach Sofia war geprägt durch Grotestkes, Ostalgisches, Backwaren auf die Hand, Ablachen, leckeren Weinen und ständiger Balkanmucke von Shantel- Disco, Disco Partizani als Ohrwurm (die spielen übrigens am Samstag in Berlin). Na dann opapa! Es lebe der Balkan!
Text und Fotos von Maria-Silva Villbrandt ( tumblr)