Wie war das vor vier Jahren in Belgrad? Wir nehmen euch mit und schwelgen in Erinnerungen. Leuchtreklamen aus vergangenen Zeiten wechseln sich mit grellen Neonlogos von Heute ab. Vereinzelte Autos und Oberleitungsbusse prägen das erste Bild. Rund 1,3 Millionen Einwohner leben in der serbischen Hauptstadt, die vor allem im Kalten Krieg ein wichtiger Knotenpunkt für internationale Beziehungen war. Neben einem kleinen mittelalterlichen Teil mit Gebäuden aus der Türkischen Epoche sind es vor allem neoklassizistische Bauten, die im Wechselspiel mit sozialistischer Architektur das Stadtbild prägen. Filigran detailliert und grob monumental. Alles eher nebeneinander und selten ein harmonischer Übergang. Jede Epoche baut für sich. Besonders stilprägend sind die zahlreichen Werke, die dem Brutalismus zugeschrieben werden. Hotel Jugoslavija, die Genex-Türme, die Wohnanlage "Drei Witwen", viele dieser Gebäude wurden einzigartig im Bildband "My Belgrade" vom Fotografen Boris Kralj festgehalten.
Im Stadtteil Stari Beograd befindet sich die Einkaufsstraße Knez Mihailova. Ein langer Boulevard mit prunkvollen Fassaden und glatten Betonoberflächen, die allseits bekannte Marken und Ketten beherbergen. Ein Blick abseits der Flaniermeile ist daher besonders empfehlenswert. Vergessene Passagen mit alteingesessenen Ladengeschäften warten mit illustren Geschichten und jeder Menge Patina auf. Ein Pelzmacher, der bereits schon Kleidung für die bekannteste aller Sängerinnen Lepa Brena erstellt hat, ist da nur der Anfang. Zurück auf der Knez Mihailova werden auch Relikte der jugoslawischen Vergangenheit angeboten. Volkslieder auf Vinyl, Trachtenstickerei zum Selbermachen und keineswegs darf Tito fehlen. Der Personenkult um den jugoslawischen Staatschef ist nach wie vor so omnipräsent, wie umstritten.
ZELENI VENAC MARKT
Etwas abseits von den Prachtstraßen, in der Altstadt gelegen, befindet sich der Wochenmarkt "Zeleni Venac". Obst und Gemüse direkt vom Bauern prägen das Farbspiel des "Grünen Kranzes". Selbst zum Jahreswechsel gab es ein umfassendes Angebot. Highlight: Feigen aus dem Donau-Defilee direkt am Stand probiert und mitgenommen.
BELGRADE DESIGN DISTRICT
Etwas versteckt ist das Belgrade Design District. In einem ehemaligen Einkaufszentrum haben sich zahlreiche Künstler und Designer mit ihren Läden und Ateliers angesiedelt. Von Kleidung, über Schmuck bis hin zu Fotografien und Bildern reicht das Designangebot. Neben ganzjährigen Rauminstallationen findet regelmäßig Ende Juni die Designer Shopping Night statt. Kleinere Cafés laden zum Verweilen ein.
... Belgrad lässt sich ganz klassisch am besten zu Fuß erkunden. Für längere Distanzen gibt es Bus oder Tram. Die U-Bahn lohnt sich nur zum Fotografieren. Großzügige Katakomben bieten unvergleichbare Bildmotive. Die Taktung der U-Bahn lag zum Jahreswechsel auch tagsüber bei 30-40 Minuten. Wer es eilig hat, greift auf die zahlreichen Taxi-Angebote zurück.
JUGO, MEIN JUGO - GASTARBEITER GESCHICHTEN
Ein wichtiges Kapitel der jugoslawischen Geschichte sind die Verträge, die in den 60er Jahren mit der BRD (1968) und Österreich (1966) geschlossen wurden. Die Gastarbeiterabkommen brachten zahlreiche Frauen und Männer aus Jugoslawien zum Arbeiten in beide Länder. Verbunden mit der Hoffnung auf ein gutes Einkommen und sogar besseres Leben. Menschen, die plötzlich zwischen den Kulturen agieren müssen. Die Fremde wird zur Heimat und die Heimat über die Jahre fremd. Nostalgie, Romantik und Realität sind die Hürden für viele Gastarbeiter. Viele gehen enttäuscht zurück. Andere bleiben und leben bereits mit der zweiten und dritten Generation in der neuen Heimat. "Jugo, mein Jugo" beleuchtet vor allem den Alltag der Gastarbeiter. Erzählt deren Geschichten, Träume und Enttäuschungen. Anhand von Interviewsquenzen, persönlichen Dokumenten und privaten Bildern lässt sich so ein Einblick gewähren, der vielen nicht bekannt ist und war. Es ist die außergewöhnliche Perspektive, eben nicht von Außen dokumentarisch, sondern direkt aus dem Blickwinkel der Gastarbeiter, die diese Ausstellung wirklich besonders macht. Mehr als nur wünschenswert so etwas auch in einem Museum hierzulande entdecken zu können.
Wie bereits erwähnt ist der Personenkult des ehemaligen Staatschefs von Jugoslawien Tito immer noch sehr präsent. Sicher nicht mehr so wie etwa vor 20 Jahren als die Schlange vor seinem Mausoleum kein Ende nehmen wollte. Die Rezeption zu seiner Führungsrolle ist vielschichtiger geworden. Von 1945 bis zu seinem Tod 1980 prägte er die Politik Jugoslawiens. Seine Grabstätte ist fußläufig vom Museum der Geschichte Jugoslawiens zu erreichen.
KREMSNITA
Eier, Mehl, Zucker, Vanillezucker, Milch und Blätterteig sind die Zutaten, die es braucht eine klassische Kremsnita zu kreieren. Nahezu jede Bäckerei und jedes Café führen diese Leckerei im Angebot. Selbst einige Supermärkte warten mit einer schnellen To-Go-Variante auf. Unverzichtbar!
Eindrücke, die noch fehlen: die mittelalterliche Burg, der Blick auf die Save, das alte Boheme-Viertel Skadarlijar, die Belgrader Universität, das zerbombte Verteidigungsministerium, der neue Hauptbahnhof, die vielen Restaurants in alten Lagerhallen am Ufer der Donau ... Es bleibt noch sehr viel zu Entdecken und das macht Belgrad so spannend und bereits zu den vielversprechendsten Städten Europas.
Bilder & Text: Wilkin Schröder